Die Geschichte von Graz
Vom urgeschichtlichen Siedlungsplatz zur Kulturhauptstadt
Vor allem während der Zeit der Kelten und Römer wurde die heutige Landeshauptstadt der Steiermark zu einem wichtigen Siedlungszentrum, wie Funde beweisen. Eine der größten römischen Anlagen, die bis jetzt in der Steiermark bekannt sind, befand sich im Bereich des Flughafens Graz-Thalerhof. Diese wurde während des Baus des Flughafens vollkommen zerstört.
Die Römer haben jedoch auch andere Spuren hinterlassen: Überregional wichtige Verkehrswege, die auch heute noch genutzt werden, wie die strata hungarica – ein wichtiger Handelsweg, der aus Pannonien kommend im Bereich des Hauptplatzes und der Sporgasse Richtung Graz St. Leonhard verlief.
Die bewegte Zeit nach der Völkerwanderung
Mit dem Einfall der Hunnen um 375 nach Christus begann in Europa die Zeit der großen Völkerwanderung. Erst ab dem 6. Jahrhundert beruhigte sich die Lage wieder zunehmend. Die erste größere ethnische Gruppe, die im Grazer Gebiet sesshaft wurde, waren die Slawen. Diese Volksgruppe gründete das als Karantanien bekannte Fürstentum, das sich auch auf das Gebiet von Kärnten und Krain erstreckte.
Die Herkunft des Stadtnamens Graz
Der Name „Graz“ leitet sich vom slawischen Wort „grad“ (slowenisch „gradec“) ab, was so viel bedeutet wie „Burg“ und auf eine erste befestigte Anlage auf dem Grazer Schloßberg hinweist.
Die Slawen hatten nach wie vor Probleme mit den Awaren, einem kriegerischen Reitervolk, weshalb sie die Bayern zu Hilfe riefen. Diese waren zu dieser Zeit bereits Herrscher über ein großes Herzogtum, das bis nach Verona reichte. Bereitwillig eilten die Bayern zur Unterstützung herbei, jedoch nicht, ohne vorher für diese Hilfe etwas einzufordern: Die Christianisierung der bis dahin dem Vielgötterglauben verbundenen Slawen.
Wie die Mark an der Mur zur Residenz der Habsburger wurde
Im Laufe des 10. Jahrhunderts kam es abermals zu unruhigen Zeiten, als die Ungarn in die Steiermark eindrangen. Erst mit der berühmten Schlacht am Lechfeld in der Nähe von Augsburg konnte der König des Ostfrankenreiches, der spätere Kaiser Otto I., den entscheidenden Sieg gegen die Ungarn erringen. Um weiteren Angriffen vorzubeugen, wurden die wehrhaften Grenzmarken gegründet, die einem eigenen Markgrafen unterstellt waren.
Das Grazer Gebiet war Teil der Mark an der mittleren Mur. Die Oststeiermark war nach wie vor von Ungarn besiedelt. Als wichtigste Herren in der Markgrafschaft an der mittleren Mur traten die Eppensteiner hervor, später die Traungauer.
Im 12. Jahrhundert wurde schließlich vom Hochfreien Bernhard von Stübing, dem Enkel des bayrischen Pfalzgrafen Aribo, eine romanische Burg auf dem Schloßberg errichtet. Unter dieser überschaubaren Burganlage entstand im Bereich des heutigen Freiheitsplatzes der zur Burg gehörende Meierhof – ein Bauerngehöft, das für die Versorgung der Herrschaften zuständig war. Aus diesem Meierhof entwickelte sich zunehmend eine größere Siedlung, die erstmals in einer Urkunde des Markgrafen Leopold I. aus dem Geschlecht der Traungauer genannt wird. Dieses Dokument ist allerdings undatiert und auch nur noch in einer späteren Abschrift erhalten, weshalb die erste nachweisbare urkundliche Erwähnung mit Udalrich von Graz in Verbindung gebracht wird, der damit 1140 die Errichtung der heutigen Abtei Seckau als Augustiner-Chorherren-Stift bestätigte.
Im Jahr 1180 wurde die Steiermark schließlich von Kaiser Friedrich Barbarossa zum Herzogtum ernannt.
Kurz bevor die Traungauer in der Manneslinie ausstarben, ließ der kinderlos gebliebene und am Aussatz erkrankte Traungauer Ottokar IV. einen Erbvertrag ausstellen, in dem er die Babenberger, die damaligen Herzöge von Österreich, als Erben des Herzogtums Steiermark einsetzte. Dieser mit 17. August 1186 datierte Erbvertrag besteht aus zwei Urkunden, die als Georgenberger Handfeste und kleine Georgenberger Urkunde bekannt sind. Ein wichtiger Bestandteil dieses Erbvertrages war die Wahrung der Einheit der Herzogtümer Steiermark und Österreich, weshalb die Georgenberger Handfeste als erster Schritt zur Vereinigung des späteren Länderkomplex Österreich angesehen wird.
Die Urkunde wird heute im Steiermärkischen Landesarchiv in Graz aufbewahrt. Im Jahr 1192 ging das Herzogtum Steiermark somit in den Besitz der Babenberger über.
Rund 50 Jahre später, im Jahr 1245, erhielt Graz schließlich sein Stadtwappen: Einen silbernen, feuerspeienden Panther auf grünem Hintergrund, der dem Wappen der Steiermark entlehnt wurde. Anders als im steirischen Wappen, trägt der Panther von Graz keine roten Hörner, sondern eine goldene Krone.
Auch die Babenberger ereilte schließlich dasselbe Schicksal, wie so viele Familien, und sie starben schlussendlich aus. Die folgende Machtübernahme durch die Habsburger ging nicht ohne kriegerische Auseinandersetzungen vonstatten, denn auch die Spanheimer, Herzöge in Kärnten, und Ottokar von Böhmen erhoben Ansprüche auf das Herzogtum Steiermark. Im Jahr 1282 wurde die Steiermark als habsburgisches Erblehen eingerichtet.
Die Zeit der Blüte
Nach der habsburgischen Erbteilung wurde Graz von Ernst I., der auch als Ernst der Eiserne bekannt ist, als Residenz und Verwaltungssitz der innerösterreichischen Gebiete auserkoren. Vor allem sein Sohn Friedrich III., der später zum römisch-deutschen König und schließlich zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ernannt wurde, ließ die Burg am Schloßberg und das Stadtgebiet herrschaftlich ausbauen.
Auch sein Sohn Maximilian hinterließ der Stadt Graz herrliche Bauwerke. Im Jahr 1585 wurde unter Erzherzog Karl II. die Universität Graz gegründet und als Academia, Gymnasium et Universitas in die Obhut der Jesuiten übergeben, die für ihren radikal katholischen Lehrplan bekannt waren. Als protestantisches Gegenstück bildete sich die Stiftsschule, an der sogar der Naturphilosoph, Astronom und Mathematiker Johannes Kepler einige Jahre lehrte.
Während Graz zunehmend von italienischen und spanischen Baumeistern in eine prachtvolle Renaissance-Stadt verwandelt wurde, erfolgte gleichzeitig im Zuge der habsburgischen Gegenreformation die Vertreibung protestantischer Bürger und Adeliger. Erst mit dem Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. im Jahr 1781 durften die Protestanten ihren Glauben wieder ausüben. Da die Türken zunehmend zur Gefahr wurden und immer wieder bis nach Graz vordrangen, übersiedelte der habsburgische Hofstaat schließlich in die Wiener Hofburg.
Von der Industrialisierung zur Menschenrechtsstadt
Wie überall in Europa haben auch in Graz die napoleonischen Truppen zwischen 1797 und 1810 ihre Spuren hinterlassen. Im Zuge von drei Stadtbesetzungen wurden die vom italienischen Baumeister Domenico Dell´Allio konzipierten Stadtmauern mit den mächtigen Bastionen, der Stadtgraben und die Burg am Schloßberg weitgehend zerstört.
Graz konnte sich jedoch rasch wieder erholen und es folgte eine Zeit des Aufbruchs und der Industrialisierung. Bekannte Wirtschafts- und Industrieunternehmen, wie die Puch-Werke und die nach wie vor existierende Andritz AG sowie der Bau der Südbahn verhalfen Graz zu einem neuerlichen Aufschwung. Während des Zweiten Weltkrieges litt „Groß-Graz“, wie die Nationalsozialisten die Stadt nach der Eingemeindung von mehreren neuen Bezirken bezeichneten, unter 56 Luftangriffen. Bis zum Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages im Jahr 1955 wurde Graz von sowjetischen und anschließend von britischen Truppen besetzt.
Im Laufe der Zweiten Republik entwickelte sich Graz zu einer Kulturstadt, die 2003 zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde. Bereits im Jahr 1999 wurde die gesamte Grazer Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Im Jahr 2001 folgte die Ernennung zur Menschenrechtsstadt – dieser Titel wurde erstmals vergeben. Außerdem trat Graz im Jahr 2006 einer von der UNESCO gegründeten Städtekoalition gegen den Rassismus bei. Im Jahr 2015 folgte der Ehrentitel Reformationsstadt Europas und im Jahr 2017 wurde von der UNESCO die Einrichtung eines UNESCO-Menschenrechtszentrums beschlossen, dem Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC Graz). Die steirische Landeshauptstadt ist somit neben Buenos Aires weltweit die zweite Stadt mit einem internationalen Menschenrechtszentrum.